„Bestenfalls kann ich für mehr Verständnis sorgen und Brücken bauen.“

So eine Krimi-Kommissarin gibt es kein zweites Mal: Marlene Louven geht mit Cochlea-Implantat auf Mörderjagd. Das Cochlear Family Team traf Krimi-Autorin Ilka Dick am Wohnort ihrer Hauptfigur: im alten Fischerviertel Holm in Schleswig an der Schlei.

Frau Dick, wie sind Sie auf die Idee gekommen, eine Kommissarin mit CI zu erfinden?

Ich wollte damit zwei meiner Leidenschaften verbinden: das Krimi-Schreiben und meinen eigentlichen Beruf. Ich bin Hörgeschädigten-Pädagogin und arbeite in Schleswig am Landesförderzentrum Hören und Kommunikation. Daher weiß ich, dass sich viele Menschen nicht vorstellen können, was es heißt, mit einer Hörbeeinträchtigung zu leben. Mir war es ein Anliegen, den Alltag eines CI-Trägers, alle Höhen und Tiefen, in einem ganz anderen Rahmen – verpackt in einen Kriminalfall – zu schildern, damit die Informationen ganz nebenbei rüber kommen können. Bestenfalls kann ich damit für mehr Verständnis sorgen und Brücken bauen. Ich finde, dass das Thema „Menschen mit Behinderung“ in Büchern, Filmen und der gesellschaftlichen Diskussion viel zu selten vorkommt. Ein Krimi ist eine Möglichkeit, diesem Thema Raum zu geben.

Bei Menschen mit Hörbeeinträchtigung sind die übrigen Sinne oft besonders geschärft. Ist das auch bei Ihrer Hauptfigur Marlene Louven der Fall? Ermittelt sie anders als es eine normal hörende Kommissarin tun würde?

Im zweiten Buch „Tod zwischen den Meeren“ entwickelt sich das in diese Richtung. Im ersten Fall („Der stille Koog“, Anmerkung der Redaktion) geht es vor allem um das große Trauma. Marlene verliert mit Mitte 40 in kürzester Zeit durch eine Erkrankung ihr Gehör. Sie entscheidet sich für Cochlea-Implantate und kämpft sich in die Welt der Hörenden zurück. Im zweiten Buch geht es mehr um ihren Alltag mit den CIs, um die Gestaltung, die Anpassung ihres Aufgabenfeldes bei der Kriminalpolizei – mit allen Grenzen und Möglichkeiten. Auch technische Hilfsmittel spielen eine Rolle.

Autorin Ilka Dick im alten Fischerviertel „Holm“ in Schleswig. Dort wohnt die Hauptfigur ihrer Krimi-Geschichten, Marlene Louven.

Wie gehen Sie beim Schreiben vor? Eine Hauptfigur haben Sie jetzt. Aber woher kommt die Idee für den Mordfall, gucken Sie „Tatort“ oder lesen Sie Kriminalmagazine?

Ich habe früher gerne „Tatort“ geguckt und bin auch begeisterte Krimi-Leserin. Seit ich selber Krimis schreibe, habe ich das total zurückgeschraubt. Während ich schreibe, lese ich gar keine Krimis. Die Idee für den Mordfall fliegt mir zu. Die entsteht einfach mit der Zeit. Und dann baue ich mir das so zusammen. Es geht viel über die Motive: Was treibt die Menschen zu ihrem Handeln? Was entwickelt sich falsch, dass am Ende so eine Tat entsteht? Welche Fassade wollen sie aufrecht erhalten? Viel Zeit investiere ich in die Entwicklung der Charaktere. Daraus ergibt sich dann, wie sie agieren. Was die polizeiliche Expertise betrifft, hatte ich großes Glück: Ich habe eine Kommissarin kennengelernt. Sie arbeitet in Schleswig. Ich kann sie alles fragen, was die polizeilichen Abläufe angeht. Sie checkt auch mein Manuskript. Schließlich kommt noch der Schauplatz dazu. Den Koog (Der Schauplatz des ersten Buches, Anmerkung der Redaktion) habe ich entdeckt, als ich in Dithmarschen Familien im Rahmen der Frühförderung betreute. Als ich diese kleine von Deichen eingeschlossene Gemeinde sah, da dachte ich: Das ist ein idealer Schauplatz. Marlenes zweiter Fall beginnt auf der Nordseeinsel Amrum, auf der ich selbst einmal leben durfte. Ein wunderbarer Ort, nicht nur für Kriminalgeschichten.

Sie waren vor geraumer Zeit auf Lesereise in Süddeutschland. Wie reagiert das Publikum auf einen Krimi mit einer hörbeeinträchtigten Kommissarin?

Während der Reise hatte ich viel Kontakt mit Betroffenen. Viele haben sich in Marlene wiedererkannt. Das war für mich ganz wunderbar. Ich habe Menschen getroffen, die standen mit Tränen in den Augen vor mir und sagten, dass sie es toll finden, dass das Thema endlich mal in ein Buch kommt. Eine besonders schöne Rückmeldung kam von einer Dame, die sagte, sie habe erst beim Lesen des Nachworts verstanden, dass ich selbst gar kein CI trage. Von nicht hörgeschädigten Lesern kommt das Feedback ‚Das ist ja interessant. Das habe ich alles gar nicht gewusst. Das ist ja mal was anderes‘. Aber auch: ‚Oh, so schwer ist das!‘ Viele denken: Die Betroffenen kriegen die Technik an den Kopf und dann ist alles prima. Dass das Hören mit CI ein langer Prozess ist, das hat viele beeindruckt.

Als Nicht-CI-Träger ist es schwer nachzuvollziehen, wie ein CI-Träger hört. Wie gelingt es Ihnen, sich so gut einzufühlen?

Ich glaube, aufgrund meines Berufes kann ich gut nachvollziehen, was es bedeutet, mit einer Hörbeeinträchtigung zu leben. Ich kannte aber vor allem nur die Perspektive von Kindern, von Schülern. Deshalb bin ich Gast in einer Selbsthilfegruppe. Dort darf ich alles fragen. Wie man mit einem CI hört, kann ich natürlich auch nur versuchen nachzuempfinden. In der Gruppe habe ich aber gelernt: Wenn man das Hören mit dem CI als sein neues Hören akzeptiert, dann hat man eine echte Chance, wieder in Kontakt mit seiner Umwelt zu treten. Schwierig ist es, wenn man diesen Schritt nicht schafft und auch nach zehn, fünfzehn Jahren immer noch den Hörverlust beklagt, anstatt den Zugewinn durch das CI zu sehen. Das versuche ich auch bei Marlene darzustellen. Dass sie das CI als Chance begreift, ist aus meiner Sicht der Schlüssel zum Hörerfolg.

Bücher der Autorin:

Ilka Dick
Der stille Koog. Küsten Krimi, Emons Verlag, Köln, 256 Seiten.
ISBN 978-3-7408-0503-6
Preis: 10,90 Euro
 
Ilka Dick
Tod zwischen den Meeren. Küsten Krimi, Emons Verlag, Köln, 288 Seiten.
ISBN 978-3-7408-1115-0
Preis: 13,00 Euro

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